Digitale Produktentwicklung beschleunigen – nur wie?

Viele digitale Projekte verzögern sich, werden in schlechter Qualität geliefert oder scheitern ganz. Woran liegts?

Fast alle meine Mandanten stehen vor ein und derselben Herausforderung: Ihre IT-Abteilung liefert nicht. Weder Zeit- noch Budgetpläne werden eingehalten, von der Qualität ganz zu schweigen. Stattdessen verschanzt sich die Technik hinter Sprints und Roadmaps. Diese werden regelmäßig verschoben, teils existieren sie nicht mal und eine Review? Gibt’s auch nicht. Zwischen Businessabteilung und Technik herrscht entweder ein unüberwindbarer Graben oder künstliche Harmonie. Allen gemein ist: Niemand spricht Probleme an.

IT-Produkte sind komplex. Ihre Entstehung ist vergleichbar mit einem Hausbau: Ein großes Team arbeitet an vielen Stellen gleichzeitig. Dabei kommt es unweigerlich zu Komplikationen, Verzögerungen, Abhängigkeiten. Je nach Produkt sind diese mal größer, mal kleiner – vermeiden lassen sie sich aber nicht.

Verzögerungen und Komplikationen sind bei komplexen Produkten der Normalfall.

In der Pflicht: das Top Management

Entscheidend für den Erfolg solch eines Prozesses ist das Top Management. Doch das ist selten in Art und Umfang involviert wie nötig wäre. Zu viele ziehen sich mit „das ist ein Tech-Projekt“ aus der Affäre. Andere tauchen zum Kick-Off auf und dann nie wieder. Statt echtem Interesse, folgen nur noch Statusabfragen und Ärger bei Verspätungen. Während Motivation und Engagement der Mitarbeiter immer weiter abnehmen.

Zeigt das Top Management kein echtes Interesse, schwinden Motivation und Engagement der Mitarbeiter.

Klare Ziele definieren

Zu wenigen CEOs ist bewusst, dass IT-Produkte genauso an die Unternehmensvision gebunden sind wie alle anderen Bereiche. Wer ein Haus plant, legt auch fest, wie viele Stockwerke es haben soll. Ob es Parkplätze oder eine Tiefgarage gibt. Sonnen- oder Schattenseiten. In gleichem Maße muss der Businesszweck für IT-Produkte definiert werden. Parameter müssen abgefragt und Größenordnungen festgelegt werden.

Passiert das nicht, fangen die Techniker erstmal an zu bauen. Schnell kann dann statt des benötigten 4-stöckigen Bürogebäudes eine Lagerhalle oder ein Hochhaus entstehen. Beide Fälle sind ungünstig und verfehlen den Businessnutzen. Die Folgen sind: Umbau, Verspätung und Demotivation der Mitarbeiter.

Wo keine Planung stattfindet, können keine befriedigenden Ergebnisse entstehen.

Die Lösung in fünf Schritten

1. Klare Planung und Produktvision

Richtung und Vision der Produkte müssen klar definiert werden. Es muss aufgezeigt werden, welchen positiven Nutzen das Unternehmen aus dem Produkt zieht – das leitet durch die Produktentwicklung. Insbesondere bei Scope und Entwicklung sollte mit Bedacht und in die nähere Zukunft (1-3 Jahre) geplant werden. Wichtig: Zu groß sowie zu klein geplante Produkte können verheerende Folgen haben und hohe Kosten verursachen.

2. Meeting-Pflicht für CEOs

Nur eine enge und klare Kommunikation während des Prozesses zwischen Top Management und Technik bringt gewünschte Erfolge. Deshalb muss der CEO in den regelmäßigen Review Meetings dabei sein. Punkt. „Keine Zeit“, „Macht der CTO allein“ oder jegliche andere Ausrede signalisiert: Das Projekt ist nicht wichtig genug. Für die Kommunikation gilt: ehrlich, offen, direkt und fair. Nur so können Probleme schnell adressiert und ausgemerzt werden.

3. First things first – richtig priorisieren

Was ist am relevantesten für das Business? Womit kann am wahrscheinlichsten das meiste Geld verdient werden? Die Antworten auf diese Fragen definieren den Ablauf der Meilensteine des Prozesses. Wichtig ist hier die Kommunikation zwischen Business und Tech. Beide Seiten haben Gründe, warum sie dies oder jenes priorisieren. Das gilt es in Einklang zu bringen, sodass die Technik umsetzen und das Business monetarisieren kann.

4. Abhängigkeiten reduzieren

„Ich warte auf ...“ dient meist als Ausrede. Es sorgt für Blockaden in Prozessen und zeigt starke Abhängigkeit. IT-Teams sollten ihre Aufgaben untereinander stark abgrenzen. Es braucht klar definierte Übergabepunkte oder Schnittstellen, um so wenig wie möglich abhängig voneinander zu sein. Diese lassen sich mit einer offenen Kommunikation und zielgerichteten Absprachen definieren. So kann bereits mit der Arbeit begonnen werden, bevor die andere Partei komplett fertig ist.

5. Verantwortung schaffen

Im Meeting sind sich alle einig, was getan werden müsste. Alle gehen auseinander und fühlen sich wohl mit dieser Einigkeit. Bis auffällt, dass nicht definiert wurde, WER, WAS, BIS WANN und WARUM macht. Und wenn doch, wird es oft nicht dokumentiert. So kann keine Verantwortung entstehen. Weit über 50% der Probleme meiner Kunden löse ich mit einer einfachen Next Steps-Liste:

• Was ist das Thema? Was ist der Nutzen?

• Was GENAU ist das DELIVERABLE? Ist es ein Dokument? Eine Präsentation? Excel-Tabelle? Prüfung? Möglichst messbar definieren.

• Wer ist Verantwortlicher? Wichtig: Eine Person! Keine Gruppe, kein zweier, kein dreier Team – eine Person! Die kann sich zwar beraten, aber diese eine Person trägt allein die Verantwortung.

• Wann ist die Deadline? Nicht „in zwei Wochen“ (oder noch schlimmer in Q3), sondern ein konkretes Datum definieren. Liegt der Termin mehr als 2-4 Wochen in der Zukunft, sollte das To-do verkleinert werden, sodass man schneller zu einem Resultat kommt.

Diese Liste sollte in wiederkehrenden Meetings jedes Mal geprüft werden. Dabei gilt es, die Meetings nicht in zu großen Abständen zu planen. Besser sind kurze Treffen im Ein- oder Zwei-Wochen-Rhythmus, statt einmal im Monat. Delays werden vermerkt und erst, wenn das Deliverable in zufriedenstellender Qualität wirklich vorliegt, wird abgehakt.

Fazit: Delays in der Produktentwicklung haben ihre Ursache meist im Management

Die häufigsten Schwachpunkte von sich verzögernden oder scheiternden Produkten sind: Fehlende Produktvision, zu wenig Kommunikation, nicht-priorisierte Aufgaben, zu viel Abhängigkeit und kaum Verantwortungsübernahme.

Lust auf einen Kaffee?
© Philipp Neuberger, Berlin
|
|
|